Inge Robben (52) ist betroffene Angehörige und Fachkraft. Die Leiterin des Aphasiker-Zentrums Weser-Ems e.V. begleitet zahlreiche Selbsthilfegruppen zu Aphasie und Schlaganfall. Zwei, Steinfurt und Rheine, mussten nun zusammengelegt werden. Neue Mitglieder sind am Gesamtstandort Rheine sehr willkommen.
Wie viele Mitglieder hat die Selbsthilfegruppe in Rheine?
Aktuell sind es noch 14 Mitglieder, seit wir die Gruppen zusammengelegt haben. Allerdings sind wir bei Gruppentreffen dann oft im Durchschnitt nur zu sechst, aufgrund von Urlauben, Krankheit, anderen Terminen. Daher wünschen wir uns weitere Mitglieder.
Aus welchem Gebiet?
Gern aus dem gesamten Kreis Steinfurt.
Was findet statt, in der Selbsthilfegruppe?
Vor allem unsere regelmäßigen Treffen für Betroffene und Angehörige. Die starten wir meist mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken aller. Wir versuchen als Begleiter der Gruppe zu zweit zu kommen, damit wir nach dem Kaffeetrinken die Gruppe teilen können - in Angehörige und Betroffene. Denn: Die Themen sind andere.
Wann sind die regelmäßigen Treffen?
Die Gruppe trifft sich jeden dritten Mittwoch im Monat von 15 bis 17 Uhr im Kolpinghaus Rheine.
Was gibt es darüber hinaus?
Jedes Jahr organisieren wir mindestens einen Ausflug, ein Gesamt-Frühstück aller neun Gruppen, die wir betreuen, sowie ein gemeinsames Sommerfest und eine Weihnachtsfeier. Jede Gruppe macht auch für sich eine Weihnachtsfeier. Einmal im Jahr bieten wir ein Gedächtnistraining an, veranstalten Vorträge und Fortbildungen.
Was zeichnet die Gruppe in Rheine aus?
Es ist ein toller Mix an verschiedenen Altersstufen, von 40 bis 80 Jahre. Es findet ein guter, unterstützender Austausch zu Therapien, finanziellen Mitteln, Alltagsfragen und Emotionen statt. Wir wollen Spaß haben, mitten im Leben stehen. Die Gruppe ist offen für jeden, der von Aphasie und Schlaganfall betroffen ist, Angehöriger ist oder auch nur interessiert am Thema ist. Viele haben von Selbsthilfe noch die Vorstellung: Stuhlkreis im abgedunkelten Raum. So ist es überhaupt nicht.
Wie ist denn die Realität?
Wir führen Gespräche über Gott und die Welt, über Urlaube, Feste, genießen die Zeit miteinander.
Wie war Ihr persönlicher Weg in die Selbsthilfe?
Meine Mutter hatte vor fast 20 Jahren einen Schlaganfall. Damals war es ganz schwer Infos zu finden. Was ist überhaupt Aphasie? Als ich von Bekannten vom Aphasiker-Zentrum erfuhr, habe ich dort angerufen und kam so in eine Selbsthilfegruppe. Mir tat es gut, also bin ich dabeigeblieben. Nach einer Zeit kam auch meine Mutter mit. Die Leute dort hatten eben Verständnis dafür, dass meine Mutter gar nicht sprechen kann. Jedenfalls waren wir jahrelang dabei, dann kam irgendwann über Kontakte der Anruf, ob ich mir vorstellen kann im Aphasiker-Zentrum zu arbeiten. Das habe ich gemacht, erst als 450-Euro-Kraft, heute als Leitung.
Wie ist es, das private Schicksal täglich im Beruf vor Augen zu haben?
Klar ist das hart, den ganzen Tag mit Aphasikern, zuhause und auch noch im Job. Wie alle anderen beim Pflegen, habe ich auch meine Höhen und Tiefen. Aber trotzdem fühle ich mich für den Job berufen. Ich fühle mich wohl im Job, es ist ein guter Job. Irgendwie klappt das. Und ja, auch ich heule manchmal den anderen was vor. Dann ist das eben so. Die Synergieeffekte überwiegen, Tipps, Erfahrung, Wissen, was ich weitergeben kann. Mich reizt die Herausforderung, die Betroffenen wieder ein Stück weit ins normale Leben zu schieben.
Warum findet kein normales Leben mehr statt?
Ich höre immer: `ich muss erstmal zuhause klarkommen´. Pflegedienst, Medikamentengabe, Umbauten, alles ist anders, der Alltag auf den Kopf gestellt. Und dann irgendwann sind die Menschen bei all dem in die soziale Isolation gerutscht, teils vereinsamt. Ich empfehle darum immer, direkt nach der Diagnose in die Selbsthilfe zu gehen. Da sind doch viele, die schon Erfahrungen teilen können.
Was haben Sie eigentlich vorher gemacht?
Ich war selbstständig mit einem Dekoartikel-Laden. Zwei kleine Kinder, eine kranke Mutter, das ging nicht mehr. Mein Jüngster war eins, der Ältere sieben. Es war geplant, meine Mama kümmert sich um die Kinder während ich arbeite. Und dann war sie plötzlich mein drittes Kind. Spontanität, Flexibilität, mal eben in den Urlaub, das geht nicht mehr. Die Kinder sind jetzt groß, aber Mama ist noch da. Es bedeutet viel Planung, viel Zusammenhalt.
Gibt es besondere Probleme bei Gruppentreffen im Bereich Aphasie und Schlaganfall?
Tatsächlich scheitert so ein Gruppenbesuch manchmal schlicht am Transport. Es gibt keine Fahrdienste und wer in Frührente ist oder Behindertenrente bezieht, kann nicht mal eben 20 Euro für ein Taxi ausgeben. Da wären Nachbarschaftshelfer gesucht, die vielleicht mal fahren würden. Wer sich so ein Ehrenamt im Kreis Steinfurt vorstellen kann, der kann sich sehr gern bei uns im Aphasiker-Zentrum melden. Ich habe aktuell wieder drei Leute mit Interesse an einer Selbsthilfegruppe, aber sie haben keinen, der sie fährt.
Wer Austausch und Gespräche finden möchte, kann sich zur Gruppe anmelden. Das Netzwerk Selbsthilfe und Ehrenamt unterstützt diese Gruppe. Interessierte melden sich unter Tel 0 25 72 – 9 60 16 84 oder per E-Mail an: netzwerk-steinfurt@paritaet-nrw.org.
Eine Sprachstörung nach einem Schlaganfall, einer Schädel-Hirn-Verletzung, einem Tumor. Diese kann sich auswirken z.B. beim Sprechen, Verstehen,Lesen, Schreiben, Umgang mit Zahlen.
Gemeinsam mit zwei Kolleginnen arbeitet Inge Robben im Aphasiker-Zentrum mit Sitz in Lingen (Ems). Die Beratungsstelle sitzt dort in der MediClin Hedon-Klinik. Das Aphasiker-Zentrum ist eine ambulante Beratungs- und Begegnungsstätte für Menschen mit erworbenen Sprachstörungen und ihre Angehörigen. Neben Betreuung der direkt Betroffenen sind Information, Beratung und Aufklärung der Angehörigen, aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit, Kernanliegen. Kontakt: Tel. (0591) 9181188, www.aphasikerzentrum-lingen.de